Das Individuum mag sich mehr oder weniger frei fühlen und dennoch ist es an Gesetzmäßigkeiten gebunden. Im großen wie im kleinen Leben spielen die selben Kräfte ihre unverrückbare Rolle und Sanatana Dharma (Sanskrit; das ewige Gesetz) ist allgegenwertig.
Das Herz der Natur ( Sanskrit; Prakriti=Urmaterie, kosmische Substanz) ist immer voll, anders als es beim Menschen der Fall ist. Genauso wenig kennt die Natur Unzufriedenheit, und ihre Energie ist ein niemals enden- wollender Quell, so heißt es. Fülle über Fülle.
Sie ist indifferent und bevorzugt nichts und niemanden. Wertfrei bis ins letzte Detail.
Alles Gewordene macht sich auf den Weg – i s t auf seinem Weg und unterliegt keiner Bewertung. In der Bhagavad Gita (vedische Schrift; „göttlicher Gesang“) heißt es, es gäbe nichts Verwerflicheres, als nicht seinen eigenen Weg zu gehen, sondern aus Verwirrung, Fehlleitung oder Hochmut heraus, jemandes anderen Weg zu folgen.
Es kommt dabei nicht so sehr auf die allgemeinen Taten an, denn die Gewichtigkeit liegt viel mehr darin, authentisch seinem Herzen zu folgen.
Überspitzt ausgedrückt, ist ein Dieb der seinen Weg geht, wahrhaftiger unterwegs, als wenn er glaubt, ein Mönch werden zu müssen, obwohl sein Lebensweg, das Dharma (=Aufgabe) es nicht vorsieht.
Ein weiteres wesentliches Glied in der Kette der Unabänderlichkeiten ist, dass sich die Natur immer wieder wiederholt.
Es gibt nichts, das es nicht schon einmal gegeben hat. Entdeckungen sind immer nur Wiederentdeckungen, das Zurückholen von Wissen in den jeweiligen Raum der Zeit.
Das Wiederkehrende zeigt sich auch in den einzelnen großen Zeitalter ( Sanskrit; Yuga). Eines folgt dem anderen bzw, wird von diesem abgelöst.
Epochen, Kulturen, Geschichten, alles jemals Dagewesene ist immer nur eine Wiederholung in diesem Kreislauf der sich abwechselnden Yuga.
Die vier, in der Qualität sehr unterschiedliche Abschnitte bilden zusammen ein großes, abgeschlossenes Mahayuga. Das Ende des einen, leitet den Beginn des folgenden ein.
Dieser ewig wiederkehrende Wandel zeigt sich im Auf – und Abstieg der Zivilisationen, der Kunst und im Glauben an sich.
Die im Osten verbreitete Überzeugung der Wiedergeburt findet hierin seine Basis. Wir alle sind Wiederkehrende, auch wenn es uns nicht bewusst ist. Woher sonst kommen einzigartige Begabungen in bereits frühen Lebensjahren? Warum gibt es Freundschaften die so viel älter und tiefer greifen, als das diese im aktuellen Leben entstanden sein könnten? Woher kommen extreme Ab- oder Zuneigungen, ohne das es dazu oftmals Erklärungen gibt? Wenn wir so klein und begrenzt denken und an der kurzen Lebenspanne unseres jetzigen Daseins festhalten, dann schließen wir uns und unser Sein in eine dunkle, enge Box. Beschränken das Wunder Leben und die Möglichkeit des Wiederkehrenden.
Nicht nur in der Bibel beginnt das Leben mit der Morgenröte, die aus dem ewigen Wassern steigt. Gibt es ein Paradies welches irgendwann aus einer Unbesonnenheit heraus verloren geht, und alles Leben wird, nach einer reinigenden Feuersbrunst, laut vedischer Überlieferung, zu Schutt und Asche. Es ist die Sintflut, die schlussendlich alles dem gebärende Wasser zurückführt, dorthin, wo neues Leben und ein neuer Zyklus entsteht.
Das Göttliche, möge man es nennen wie man will, im Indischen ist es Narayana, der auf diesem Urmeer treibt und sagt:
„In alten Zeiten rief ich die Wasser beim Namen „Nara“, und da die Gewässer immer mein „Ayana“, meine Heimstätte waren, wurde ich „Narayana“ genannt (der im Wasser zuhause ist). O bester der Wiedergeborenen, ich bin Narayana, der Ursprung aller Dinge, der Ewige, der Unveränderliche.“ (aus dem Sanskrit übersetzt)
Er repräsentiert das Göttliche und gebiert aus seinem eigenen Wunsch heraus und durch Selbstreflexion das Leben. Diese Schöpfungskraft wiederholt sich immer wieder, so wie Abstieg und die Zerstörung bzw. Auflösung es tun.
Die Entfaltung des Lebens selbst geht vom Punkt der Einheit (Sanskrit; Bindu) aus.
Das rituelle Freihandzeichnen des Sri Yantra ( geometrisches Bild, siehe oben) führt den Artisten Schritt für Schritt über diesen stufenweisen Prozess des Entstehens zum fertigen Sein und umgekehrt.
Der Bindu selbst, der ruhende Punkt (Mittelpunkt im Shri Yantra), unterliegt einem immerwährenden Wechsel von Ausdehnung und Kontraktion. Diese Rhythmik und pulsierende Bewegung erzeugt einen Takt, der wiederum mit Zeit messbar gemacht wird.
Wie das Herz wenn es schlägt, Leben im Endlichen bedeutet, so bedeutet das ewige Pulsieren des Bindus, Leben im Großen, über die Grenzen unseres jetzigen Seins hinaus.
Das Ziehen einer Linie durch den Punkt der Mitte (beim Freihandzeichnen) läßt die Nord-Süd Achse entstehen, dadurch geschieht eine Teilung, welche aus der Einheit heraus die Dualität hervorbringt.
Die Achse ruft richtungsgebende Orientierung im Raum hervor, es gibt jetzt, folgt man der Linie, ein Oben und Unten.
Eine Linie die zwei Punkte verbindet ( in unserem Fall das Oben mit dem Unten) wird zu einer Wegstrecke, welche durch Länge bzw. Zeit bemessen wird. Das Raum-Zeit-Gefüge breitet sich aus und das Licht wird aus der Finsternis heraus geboren, Tag und Nacht finden Unterscheidung.
„Denn die Sonne steigt immer aus der Erde auf und spiegelt sich im Wasser wieder“ (M.M.)
Das Shri Yantra veranschaulicht dem Betrachter hervorragend diese Thematik. Auch mag das Bild der Teilung eine Erinnerung an die Zellteilung hervorrufen, welche jedem Lebewesen zu Grunde liegt.
Im Tantra (indischen Lehre) ist das ein großes Thema. Das Spiel ( Sanskrit; Lila) zwischen Shiva und Shakti, dem ruhenden (männlichen) und kinetischen (weiblichen) Prinzip.
Das Potenzial eines Seins zeigt sich in der Kraft, die es braucht, um überwunden zu werden – also in seiner Gegenkraft. Dieser Überwindungswille ist es auch, der den ursächlichen Grund zum Leben initiiert. Paradoxerweise beginnt jedes Ding mit seiner Gegenkraft, denn erst im Überwinden liegt die Entstehung verborgen.
Nichts gehört so verbindlich zusammen, wie sein sich bedingendes Gegenüber. Genau so wie es die zwei gegensätzlichen Pole in ihrem Spannungsverhältnis tun. Anziehung-Abstoßung. Raga-Dvesha (Sanskrit; Mögen-Nichtmögen).
Werden-Vergehen. Aufbau-Abbau. Regeneration-Wachstum- Degeneration. Einatmen-Ausatmen.
Himmel und Erde mögen so gegensätzlich sein, und doch berühren sie sich irgendwo in der Weite des Horizontes.
M.M.
Im Shri Yantra sind es die beiden sich abwechselnden Dreiecke. Das weibliche, Shakti Dreieck mit der Spitze nach unten zeigend, und das männliche Shiva oder Shakta Dreieck, mit der Spitze nach oben weisend. Beides auch Symbole für das Element Wasser (Shakti Dreieck) bzw. Feuer (Shiva/Shakta Dreieck). Das Yantra ist mehr als ein bloßes geometrisches Muster. Es ermöglicht das Begreifen großer Geheimnisse und verhilft dem Betrachter dazu, als eine Art Spiegelbild das Erfahrene, den Punkt der Einheit, in seinem Inneren wiederzufinden.
Freiheit ist innerhalb der Begrenzung des Lebens möglich. Weite wird erst durch einen statischen Punkt wirklich erfahrbar, und nur die Natur und ihr Pulsieren eröffnen uns einen unendlichen Raum: die Freiheit, immer wieder von Neuem werden und vergehen zu können.
„Alles was sich bewegt ist wahr, nur das Unwahre (Tote) bewegt sich nicht.“
(M.M.)
Ein Gedanke zu „Sein und frei sein“
Dieser Überwindungswille ist es auch, der den ursächlichen Grund zum Leben initiiert…. das versteh ich nicht, darüber müssma bitte reden…
Ich mag deine Texte auch deshalb sehr, weil man viel darüber nachdenken und eben auch reden kann/soll! In Verbundenheit, Alex